Kritischer Atlas

„Die Vorstellung, es könnte eine „offizielle“, das heißt allseits akzeptierte Aufteilung der Welt geben, ist eine Illusion, die zu zerstören die Aufgabe der Kartografen ist“. (Rekacewicz 2007: 226)

 

Wir sind ein Kollektiv kritischer Kartograph*innen und möchten 2016 einen „Kritischen Atlas“ herausgeben. Aus diesem Grund laden wir Kartograph*innen, Gelegenheitskartograph*innen, Künstler*innen, Aktivist*innen, Geograph*innen und alle, die sich mit kritischen Karten beschäftigen dazu ein uns ihre Karten, Texte, Fotos und Ideen zukommen zu lassen. Neben kritischen Print- und Online-Karten sollen Berichte von Kartierungsprozessen und Ausstellungen sowie Interviews und Texte übers Kartieren Teil des Atlas sein. Wir freuen uns über Beiträge aus aller Welt.

Warum ein kritischer Atlas?

Ob als verstaubte Wandkarte in der Schule, als Citytour Guide, als thematische Karte in der Zeitung oder als digitaler Kartenausschnitt auf dem Smartphone, Karten begegnen uns ständig und in unterschiedlichsten Kontexten. Wir verwenden Karten, um uns an unbekannten Orten zu orientieren, wir benutzen sie um uns geographische Inhalte visuell zu erschließen oder wir finden Karten als Argumente in politischen Auseinandersetzungen. Dabei sind sie keineswegs bloß neutrale Werkzeuge zur Darstellung räumlicher Informationen. Sie festigen soziale Ordnungen, Vorstellungen und Machtverhältnisse und prägen letztlich sowohl unser Bild von Räumen wie auch unser Verhalten im Raum.

Seit den 1980er Jahren gehen verschiedenste Akteur*innen verstärkt in einer Doppelbewegung aus theoretischer Kritik und kritischer Praxis in eine Konfrontation mit der klassischen westlichen Kartographie. Die Auseinandersetzung mit Karten beschränkt sich dabei nicht auf eine Dekonstruktion oder Ideologiekritik von Karten. Vielmehr bedienen sich kritische Kartograph*innen selbst der Wirkmächtigkeit von Karten, beteiligen sich an deren Herstellung und versuchen diese konstruktiv einzusetzen.

Vereinfachend kann hier zwischen drei miteinander verbundenen Stoßrichtungen unterschieden werden: Erstens gibt es eine große Anzahl partizipativer und kollektiver Kartierungsprojekte, die den Prozess der Kartenherstellung öffnen, um damit auch (sich als) „kartographischen Lai*innen“ die Möglichkeit zu geben, eine eigene Stimme bzw. eine Karte zu erlangen. Ein zweites Feld stellen Countermappings dar. Sie wenden sich gegen die oft staatlich oder kommerziell geprägten he- gemonialen Raum- und Gesellschaftsbilder und versuchen diesen eine Sicht „von unten“ entgegenzusetzen. Hierzu zählen Kartierungen sozialer Missstände, Widerstände und Visionen, die im offiziellen Diskurs keinen Platz bekommen oder „Gegenkarten“ in raumplanerischen Debatten. Eine dritte Form angewandter kritischer Kartographien bildet eine künstlerische Auseinandersetzung mit Karten und deren etablierten formalisierten Konventionen und Rationalitäten.

Dies sind für uns jede Menge Anlässe, uns mit diesen Praktiken in Form eines Publikationsprojekts intensiver auseinanderzusetzen. Der Charakter dieser Publikation soll zwischen einem gemeinsam erarbeiteten Handbuch zum kritischen Kartieren und einer kritischen Diskussion von Projekten kritischen Kartierens liegen. Ziel ist ein Buch, das sich als unkonventioneller Atlas kritisch im kar- tographischen Diskurs positioniert und dabei sowohl zum Selbermachen anregt und die Stärken bestimmter kartographischer Zugänge herausstellt, als auch mit bestehenden Projekten in eine kritische Auseinandersetzung geht. Es soll eine Sammlung kritischer Kartierungsprojekte und praktischer Erfahrungen sein.

Wir erhoffen uns Beiträge und Auseinandersetzungen zu den drei genannten Dimensionen der kritischen Kartographie, möchten den Schwerpunkt aber auf Countermapping sowie kollektive und partizipative Kartierungen legen. Uns interessieren insbesondere Erfahrungen mit Praktiken kritischen Kartierens und deren Reflexion, mit partizipativen Verfahren, mit Karten als einem Instrument der Entwicklung und Artikulation politischer Forderungen und mit Karten als Gegenerzählungen zu dominanten Lebensrealitäten.

Wir bitten um Einsendungen und Interessensbekundungen in Form von Abstracts bis zum 20.09.2015, an die Adresse kritische-karten@posteo.de. Die printfertigen Beiträge werden im Atlas als Karten in der Größe DIN A3 abgedruckt und einen rückseitigen Text zur Karte im Umfang von zwei DIN A4-Seiten beinhalten.

Voll gespannter Vorfreude,

das Herausgeber*innenkollektiv

 

PS: Für uns ist es selbstverständlich, dass die Initiative und das Buchprojekt keinen kommerziellen Zwecken dient.

 

Hier kannst Du den Call (PDF) in Deutsch herunterladen.